Das Toni-Kroos-Problem in Bewerbungsgesprächen

ploya. zeigt Haltung

Das Toni-Kroos-Problem in Bewerbungsgesprächen

Man kann über Toni Kroos Interview nach dem gewonnenen Champions League Finale denken, was man will. Darüber, was es darüber aussagt, wie wir kommunizieren, sollte man aber zumindest einmal nachdenken.

Das Toni-Kroos-Problem

Nach dem gewonnen Champions League Finale kam es zu folgendem Interview zwischen Toni Kroos und einem Journalisten: Freundlicher Einstieg, empathische Nachfragen, ein sehr emotionaler Kroos, der mit Stolz über die persönliche Bedeutung dieses Sieges für seine Familie spricht. Dann: Ohne Überleitung und ohne Vorwarnung der plötzliche Themen- und Stimmungswechsel zu kritischen Nachfragen und zum Aufzeigen der Defizite. Kroos regiert mit dem Abbruch des Interviews und wütenden Kommentaren. Diese Irritation des Interviewten muss man nicht gut finden, man sollte aber zumindest hinterfragen, wie es dazu kommen konnte.

Dein eigentlich wäre es auch egal, hätten wir die gleiche Situation nicht jeden Tag auch an anderer Stelle. In Bewerbungsgesprächen ist dieser Gesprächsablauf fast zur Normalität geworden. Bewerber erzählen erst über sich, berichten stolz von Erfolgen und Erfahrungen und von ihren Stärken. Was sie sich wünschen und welche Ziele sie sich gesteckt haben. So weit, so gut, dann das plötzliche Umschwenken: Was sind ihre Schwächen? Wie kam es zu der Lücke in ihrem Lebenslauf? Warum haben sie ihre Arbeitgeber so häufig gewechselt? Und ganz plötzlich wird das entspannte Gespräch zum heißen Stuhl. Nun werden Bewerber das Bewerbungsgespräch wohl kaum abbrechen, denn dieser Gesprächsablauf wird ja bereits vorher erwartet. Sie werden sich aber bestimmt unwohl und unsicher fühlen und Sympathie für den Interviewpartner verlieren. Im schlimmsten Fall bedeutet das auch, dass sich diese Unsicherheit darauf überträgt, ob der angebotene Arbeitsvertrag überhaupt unterschrieben werden soll.

Am Ende verlieren Fußballer und Journalist

Der Fall Toni Kroos zeigt aber noch etwas anderes. Nämlich die hohe Erwartungshaltung an den Fußballer: Nach so einer langen Karriere müsse er doch auch kritische Nachfragen erwarten und souverän beantworten. Gleichzeitig zeigt er die niedrige Erwartung an den Journalisten: Ist doch sein Job kritische Fragen zu stellen. Nun könnte man auch sagen, Job des Journalisten ist es Antworten auf kritische Fragen zu bekommen. Dann wäre er in diesem Fall kläglich gescheitert, denn Kroos blieb die Antworten schuldig. Wäre das Gespräch vielleicht ganz anders gelaufen, wenn er geschickter gefragt hätte? Einfach danach, wie das Spiel aus Sicht des Fußballers gelaufen ist? Hätte er dann vielleicht die Antworten bekommen, die er eigentlich wollte: Dass es ein schwieriges Spiel war, die andere Mannschaft Kroos teilweise arg unter Druck gesetzt hat und es in beide Richtungen hätte gehen können, weil auch etwas Glück dabei war. Wir werden es nie erfahren, aber es hätte zumindest eine Chance gegeben, dass beide als Gewinner vom Platz gehen.

Das Gleiche gilt im Bewerbungsgespräch. Eigentlich müssen die Erwartungen an den interviewenden Personaler viel höher sein als die an den Bewerber, schließlich ist er oder sie Profi der Gesprächsführung und übt jeden Tag. Hinzu kommt, dass es für die Personaler/innen wichtiger ist ein gutes Ergebnis zu erzielen als für den Bewerber. Schließlich muss die Stelle unbedingt besetzt und die Passgenauigkeit des Bewerbers genau bestimmt werden. Der Bewerber hingegen wird noch weitere Stellenangebote von anderen Unternehmen bekommen. Genau wie bei Kroos. Der hat seinen Job gemacht und das gut: Das Spiel wurde gewonnen, das Preisgeld eingestrichen. Der Journalist ist hingegen ohne Antworten vom Platz gegangen und hat einen wütenden Gesprächspartner zurückgelassen. Klingt nicht nach einem Erfolg. (Mal abgesehen davon, dass er durch das gescheiterte Interview vermutlich mehr Zuschauer gewonnen hat als bei einem erfolgreichen).

Damit im Bewerbungsgespräch beide gewinnen, müssen Personaler geschickter fragen. Nur dann bekommen sie auch qualitativ hochwertige Antworten und schaffen eine Atmosphäre, in der Bewerber sich wohlfühlen. Fragen nach Schwächen und Lücken im Lebenslauf haben Bewerber eh vorbereitet, gegoogelt und die bestmögliche – wohl nur halb wahre – Antwort geübt. Hilft keinem, macht aber schlechte Stimmung. Wie wäre es stattdessen, den Bewerber einfach erzählen zu lassen und geschickt und individuell nachzuhaken?